English Classes

Good morning, teacher!
begrüßt mich täglich ein vielstimmiger Chor fleißiger Schüler und Schülerinnen, alle mehr oder weniger begierig darauf, in die englische Sprache einzutauchen.
Ich arbeite an der Schule der Gemeinde / Comunidad Tunants, die man von SelvaVida nach einer etwa 20minütigen Busfahrt oder bei dessen Ausbleiben einem etwa fünfmal so langem Fußweg erreicht.

Die Bildungsstätte wird von circa 130 Kinder besucht, die nach folgendem System auf die vier vorhandenen Lehrer sowie Klassenzimmer aufgeteilt sind: Ein Raum und Lehrer für die erste Klasse, einer für Klasse zwei, drei und vier, einer für fünf, sechs und sieben und einer für die achte, neunte und zehnte Klasse.
Englischunterricht erhalten die Schüler ab der 3.Klasse.
Ich stehe somit entweder 3. und 4.klässlern (die 2.klässler werden gleichzeitig direkt neben mir von deren Lehrer unterrichtet), 5., 6. und 7.klässlern, oder 8., 9. und 10.klässlern auf einmal zur gleichen Zeit gegenüber.
Herausforderung hierbei ist dementsprechend die Tatsache, dass beispielsweise 10 bis 16jährige, die sich natürlich in vollkommen verschiedenen geistigen Entwicklungsstadien befinden, zur selben Zeit am selben Ort die selben Anforderungen gestellt bekommen. Für mich, die ich dieses Konzept nicht gewohnt bin, ist es sehr schwer, stets einen Mittelweg zu finden, bei dem die Jüngeren weder über-, noch die Älteren vom Unterrichtsstoff unterfordert werden.

In Tunants gibt es keinen Englischlehrer und somit schlüpfe ich als Schulassistenz praktisch in die Rolle eines solchen, versuche, auf eine Weise zu unterrichten, mit der die Kinder Spaß haben, motiviert bleiben und gleichzeitig natürlich die englische Sprache nahegeführt bekommen.
Dabei sind meine Kreativität und viele Ideen gefragt, denn es gibt auch keine Unterrichtsmaterialien - weder Bücher, noch einen Lehrplan - und deshalb fällt es auch in mein Aufgabengebiet, zu überlegen, welcher Stoff sinnvoll ist, behandelt zu werden und mit welchen didaktischen Mitteln ich ihn am besten vermittle.
Aber all diese "Schwierigkeiten" sind schon zu meistern und der schönste Lohn für die Mühe sind stets die Schüler, wenn sie dann an manchen Tagen begeistert mitmachen und ich merke, dass sie Spaß am Unterricht haben und eventuell auch Fortschritte feststellen kann.

Ein normaler Arbeitstag beginnt für mich damit, ab 8 Uhr auf den Bus zu warten, oder dann schonmal Richtung Tunants zu laufen, bis ich schließlich von einem Gefährt aufgegabelt werde.
Von 9.20 bis 11.40 findet der Englischunterricht statt.
Zweimal die Woche eine Doppelstunde mit der 8.9.10.Klasse, und die restlichen Tage abwechselnd mit den "Kleinen" (3.&4.) und den "Mittlernen" (5.6.7.).
Besonders mit den älteren Schülern macht es mir viel Spaß, den Unterricht zu gestalten, bei den Kleinen kann es an manchen Tagen schon ein Kampf um Aufmerksamkeit sein - der Lärmpegel wird schließlich noch dadurch erhöht, dass ein Lehrer im gleichen Raum parallel noch die 2.klässler unterrichtet.
Mit Gesang oder Bewegung trifft man aber eigentlich immer auf einen Nerv, und wenn wir zum Beispiel den selbsterfundenen englische-Zahlen-Tanz machen, sind schüchterne genau wie wilde Kids mit Begeisterung dabei.

Obwohl ich anfangs schockiert war, dass ich "nur" eine Doppelstunde Englisch pro Tag unterrichte, hat sich herausgestellt, dass sowohl die Schüler als Lernende als auch ich mit der dazugehörigen Vorbereitung in der Arbeit als Lehrassistenz durchaus ausgelastet bin.
Mein Schultag füllt außerdem trotzdem den ganzen Vormittag aus, denn nach den clases verbringe ich meist noch etwas Zeit mit Schülern oder Lehrern und laufe dann oft auch mehr als eine Stunde Richtung Heimat, bis der Bus, ein Dschungeltaxi, oder ein Pickup mich mitnimmt - manchmal bestreite ich auch den ganzen Weg zu Fuß.


Insgesamt macht mir die Arbeit in der Schule auf jeden Fall Spaß.
Ich kann zwar nun auch immer besser verstehen, dass die Lehrer aus meiner eigenen Schulzeit mit uns frechen Schülern ab und zu die Geduld verloren haben - manchmal liegt einfach zu viel geballte Energie in der Luft, mit der Kinder und Jugendliche in versammelter Mannschaft nur so sprühen - aber ich denke, mein eigener Geduldsfaden wird dieses Jahr lediglich etwas gedehnt werden, nicht aber reißen.

Und ich bin auf jeden Fall glücklich, mit den Heranwachsenden zu arbeiten und versuche, der Aufgabe so gut wie möglich gerecht zu werden.
Denn meiner Einschätzung nach ist es von ziemlich hoher Relevanz, dass die jungen Shuar, wenn sie den Willen haben, die Chance bekommen, Englisch zu lernen. Denn daraus könnte eine große Bandbreite an Möglichkeiten für sie erwachsen.
Ich bin froh, an diesem spannenden Prozess beteiligt zu sein und auf kleinster Ebene zum positiven Ganzen beizutragen.

Teil des Schulgeländes mit zwei der vier Klassenräumen
Teil des Schulgeländes mit zwei der vier Klassenräumen

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Kommentare: 7
  • #1

    Erika und Walter (Montag, 23 Oktober 2017 05:39)

    Schon wie beim letzten Mal sehr schön zu lesen und es macht nach wie vor Spaß, bitte lasse uns weiterhin an deinem Abenteuer mit Wort und Bild teilhaben, herzliche Grüße senden dir Erika und Walter.

  • #2

    Mama (Montag, 23 Oktober 2017 22:26)

    Meine liebe Lehrerin, du machst deinen Job bestimmt toll, deine Schüler werden dich alle lieben! Hab weiterhin viel Geduld und viel Spaß dabei und schreib weiterhin so schön, macht so Spaß alles zu lesen!
    Freu mich dass es dir gut geht! Deine Mama ❤️

  • #3

    Joachim (Dienstag, 24 Oktober 2017 16:56)

    Wow, was für eine Aufgabe!
    Ich bin mir sicher, dass Du das hervorragend machst und Dir den Lohn für Deine Arbeit - strahlende Kinderaugen - mehr als verdient hast. Improvisation, ständiges Dabeisein, Eingehen auf die unterschiedlichen Schüler erfordert Deine ganze Aufmerksamkeit und ich glaube Dir, dass Du mit den 2 Std. pro Tag ganz schön ausgelastet bist, zumal wenn Du dann auch noch halbe Wanderungen zu deiner Arbeitsstelle machst.
    Ich freue mich für Dich, dass Du derart viel Freude hast!

    Gaaaaanz liebe Grüße
    Dein Lehreronkel :-)

  • #4

    Oma & Opa (Mittwoch, 25 Oktober 2017 16:53)

    Mein liebes Schätzchen, wir sind ganz beeindruckt von dem was du erlebst. Wir denken, die Kinder werden dich später mal in guter Erinnerung haben, wenn sie ihr Englisch benötigen. Mach weiter so toll und hab weiterhin Fteude.
    Deine Oma und Opa

  • #5

    Connie (Montag, 30 Oktober 2017 09:14)

    Liebe Maja,
    ich bin sehr beeindruckt von Deinen Schilderungen und bewundere Dich sehr für Deinen Mut, in eine solch andere Kultur und Lebensweise einzutauchen. Als Du von Bewegung und Gesang schriebst, musste ich daran denken, wie Du mir Teile des Grundgesetzes vorgesungen hast :-). Ich wünsche Dir eine tolle Zeit, die Du Dein Leben lang nicht vergessen wirst!

  • #6

    Anne (Mittwoch, 01 November 2017 15:46)

    Liebe Maja
    I love your blog and estoy segura de que estás haciendo das Richtige. Ich warte immer gespannt auf News von dir und finde es WAHNSINN, was du alles erlebst und tust! Vielleicht könnt ihr ja noch ein Trampolin für die Schule bauen - so hast du doch auch Vokabeln und Texte gelernt ;-)
    Viel Spass weiterhin! Anne und Stanley

  • #7

    Maja (Samstag, 18 November 2017 20:26)

    Danke an euch lieben,
    und Connie, dieses Lied kann ich dir das nächste Mal gerne nochmal vorsingen ;)
    Anne, ich glaube, das mit dem Trampolin wird nichts, aber es gibt immerhin schon zwei kleine Schaukeln, das hilft auch! :)

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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