On the road - Oriente, Sierra, Costa


Jack Keroucs amerikanischer Roman "on the road", oder in deutscher Ausgabe "unterwegs" wurde hier im Dschungel gleichermaßen zu meiner Freizeitbeschäftigung als Lektüre wie auch zur treffenden Beschreibung einiger freier Wochenenden.
Denn diese nutze ich wie viele meiner Mitfreiwilligen, um dieses vielfältige Land Stück für Stück zu erkunden.
Bisher bin ich auch tatsächlich in die drei verschiedenen geographischen Zonen, die Ecuador zu bieten hat, vorgedrungen.

In den Oriente, den Osten des Landes, der von Urwald dominiert wird und den ich momentan meine Heimat nennen darf,
in die Sierra, die höhergelegene Andenregion, die sich von Nord nach Süd durch die Mitte des Landes zieht,
und an die Costa, also die am pazifischen Ozean gelegene Küstenregion.
Die drei Bezirke unterscheiden sich stark in Vegetation und Klima - im Oriente hat man zum Beispiel Urwald mit tropischer Hitze, in der Sierra dagegen blickt man häufig auf grasbewachsene Berge und muss sich viel wärmer einpacken.
Auch kulturell gibt es gewaltige Unterschiede - es dominieren verschiedene indigene Gruppen, mal mehr, mal weniger, und auch das Essen variiert je nach Region.

On the Road war ich nun bei allen Reisen wortwörtlich viele ungezählte Stunden.
Ausgangspunkt ist meist Macas, die nächstgelegene Stadt, zwei bis drei Stunden von SelvaVida entfernt.
Macas ist jedoch nicht lediglich Sprungbrett für Erkundungstouren im restlichen Land, sondern gleichermaßen Treffpunkt mit zwei Freunden / Freiwilligen unserer Organisation, zwei Mädels, die Jacob und mich sogar in ihrer superhübschen Wohnung nächtigen lassen und manche Reisen mit uns gemeinsam unternehmen.
Abgesehen davon nutzen wir die Stadt für alle Erledigungen wie Post und nötige Einkäufe.
Außer Macas haben wir zu viert (Jacob, die Macas-Mädels und ich) im Oriente bisher auch Puyo besucht, was weiter nördlich gelegen ist, und dort ein Affen-Rescue-Center angeschaut, sind den bekannten Flusspfad entlandspaziert und haben und einen vagen Eindruck vom Nachtleben verschafft.


In die Sierra habe ich mich an einem durch einen spontanen Feiertag verlängerten Wochenende allein aufgemacht, bin über Nacht mit dem Bus in die Hauptstadt Quito gefahren, um von dort aus weiter nach Otavalo zu gelangen.
Otavalo ist vor allem berühmt für seinen riesigen bunten Markt, der sich besonders an Samstagen durch die ganze Stadt erstreckt und sehr viele kaufenswerte Dinge bietet.

Für mich sind es diesmal zwei Hängematten geworden, die von Jacob und mir in unserem Hängemattenhaus, der sogenannten "Casa Bonita" rege Verwendung finden.
Definitiv werde ich wiederkommen nach Otavalo, zum Einen, um mich mit den schönsten Mützen, Pullis und Taschen dort einzudecken, und zum anderen, um einen Mitfreiwilligen dort zu besuchen, was dieses Mal wegen fehlenden Internetzugangs unter der Woche meinerseits und am Wochenende seinerseits, was die Absprache eines Treffens äußerst erschwert, gescheitert ist.
So habe ich neben dem Markt in Otavalo noch zu Fuß einen Wasserfall erkundigt und im Hostel in dem Lieblingsbuch meiner Kindheit geschmökert, das mir dort im Gemeinschaftsraum sogar auf Deutsch über den Weg gestolpert ist.

Dann bin ich weiter gen Norden gereist, um zwei weitere Mädels meiner Organisation in der Nähe von Ibarra in ihrem Projekt "Parque Bambú", "Bambuspark" zu besuchen.
Sie arbeiten dort im ökologischen Bereich und helfen dem Belgier Piet, der alles ins Leben gerufen hat, unter anderem bei Wiederaufforstungsarbeiten in teilweise stark abgeholzter Umgebung.
Sehr schön war es, ein anderes Projekt kennenzulernen, von dem man bisher bloß gehört hatte und dabei die deutschen Freunde nach dem Anfangsseminar in Quito wiederzusehen.

Bambus gibt es tatsächlich reichlich in dem gleichnamigem Projekt
Bambus gibt es tatsächlich reichlich in dem gleichnamigem Projekt

Gerade an diesem Wochenende war der Anteil, den ich tatsächlich on the road verbracht habe, immens - um die 30 Stunden weilte ich in verschiedenen Bussen, mal lesend, mal schlafend, mal die sich faszinierend schnell wandelnde Gegend beim Vorbeiziehen betrachtend, und selten mal einen der Filme schauend, die nonstop in den Bussen laufen aber kaum meinen Geschmack treffen.

Anders als in Deutschland bei langen Busfahrten, bei denen man Hunger leiden muss, wenn man kein Essen dabei hat und sich weigert, teure Tankstellenpreise für solches zu zahlen, wird man in Ecuador billig und überaus komfortabel mehr als satt im Bus - man muss dafür noch nicht einmal aussteigen! Denn kaum verlangsamt sich die Fahrt, weil der Bus eine Stadt passiert, strömen mindestens zwei Verkäufer hinein und bieten den Passagieren warme Speisen, Getränke, Snacks wie süße Nüsse oder Chifles (Bananenchips), Eis, Früchte, aber auch Gegenstände wie Parfums an.
Manche Verkäufer schwingen dafür sogar gekonnte  Reden, argumentativ erläuternd, wieso man von nun an unter keinen Umständen mehr ohne angepriesenes Produkt leben kann und es deshalb unbedingt kaufen muss.
Es kann also sehr spannend sein, in Ecuador Bus zu fahren, doch nicht immer sind die für Abwechslung sorgenden Geschehnisse von erfreulicher Natur:
Einmal zersplitterte mitten auf der Fahrt ein Fenster in tausend Scherben (alle Insassen heil geblieben) und ein anderes Mal durfte ich am Ende einer Nachtfahrt mit einem Kaugummi in den Haaren aufwachen - doch auch das ließ sich zum Glück ohne Radikalschnitt lösen.

Einen weiteren Ausflug unternahmen Jacob und ich zusammen in die Grenzregion zwischen Oriente und Sierra, mit dem Ziel Baños, einer touristischen und wunderbaren Stadt, benannt nach ihren gleichnamigen Thermalbädern, die auf natürliche Weise von einem Vulkan erhitzt werden und wo wir in den ersten Abendstunden nach der Ankunft abwechselnd heiß und kalt badeten.
Neben seinen Namensgebern hat Baños weitaus mehr zu bieten: Beispielsweise ein wildes Nachtleben und zahlreiche Outdooraktivitäten.
Jacob und ich zögerten nur kurz und sprangen dann beim sogenannten Puenting (ähnlich wie Bungeejumping) von einer Brücke in die Tiefe.
Am nächsten Tag besichtigten wir mit dem Fahrrad einige Wasserfälle, die mit beeindruckender Kraft von hohen Felsen hinabstürzten.

Naturgewalt
Naturgewalt

Einen beträchtlichen Beitrag zu den schönen Erlebnissen in Baños wie auch auf allen anderen Reisen leisten die vielen Begegnungen mit unglaublich lieben Menschen, von denen der Abschied schon nach kürzester Zeit schwerfällt - sowohl mit anderen Reisenden aus aller Welt, als auch natürlich mit Ecuatorianern, die mich mit ihrer offenen und hilfsbereiten Art schon oft erstaunt und bezaubert haben.

Doch ich schweife ab - back on the road!

Dahin ging es bei meiner letzten Reise: Ab nach Montañita, eine verrückte kleine Stadt am Strand, in der wir sieben von uns zwölf weltwärts-KulturLife-Ecuadorfreiwilligen uns über ein durch Feiertage verlängertes Wochenende trafen.
Sehr schöne und kaum durch das ununterbrochene Nieselwetter getrübte Tage verbrachten wir gemeinsam Karten spielend, durch das Dorf und die vielen bunten Läden streifend, die köstlichen Speisen, von denen es dort nur so wimmelt, kostend, abends Cocktails trinkend die berüchtigte Partyszene Montañitas austestend und in den hohen Wellen tobend. Letztere bereiteten meiner sowieso nicht extrem steilen fotografischen Karriere tragischerweise ein apruptes Ende, denn die Unterwasserkamera überlebte den Pazifik unerklärlicherweise nicht und wurde von Wasser durchdrungen. Auch von dem Künstler und Elektriker namens Luis Guillermo, den ich zufällig am nächsten Morgen kennenlernte, während er sein professioneles Equipment in der Hostelküche auspackte, und den ich demzufolge um Hilfe bat, konnte die geliebte Kamera nicht gerettet werden, obwohl dieser sie in alle Einzelteile zerlegte und alles erdenkliche unternahm, ohne dafür von mir etwas zu verlangen.
Wieder einmal wurde mir vor Augen gehalten, was für nette Menschen hier leben. Jetzt gibt es eben leider erstmal wenn überhaupt schlechte Handybilder - und jenes Gerät habe ich in den spektakulärsten Augenblicken natürlich nie zur Hand.
Alles in allem war der kleine gemeinsame Trip an die Küste trotz Kameratod sehr, sehr schön und ich bin nach wie vor restlos begeistert von der Tatsache, dass man in Ecuador an einem Tag Urwald, Gebirge, und Küste durchqueren kann.

Generell ist es eine tolle Abwechlung, hin und wieder in städtischem Umfeld zu sein und so viel zu sehen und zu erleben, die Vorfreude ist jedes mal groß.
Doch auch bei der Rückkehr ins Herz des Dschungels bin ich immer sehr froh und freue mich über das Flussrauschen beim Einschlafen und meine Shuarfamilie.
Momentan bin ich auch für längere Zeit hier im ruhigen Grün, doch spätestens in den Weihnachtsferien geht es wieder on the road und ich bin gespannt, wohin sie führt!

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Kommentare: 6
  • #1

    Erika und Walter (Dienstag, 21 November 2017 05:55)

    Wie schon berichtet, wie immer sehr schön zu lesen und man ist live dabei. Danke und weiterhin alles Gute für dich und deine Unternehmungen . Machs gut und bleib gesund, schöne Adventszeit wenn es geht, Erika und Walter.

  • #2

    Erika und Walter (Dienstag, 21 November 2017 12:49)

    Bei uns wurde von einem Erdbeben in Ecuador berichtet, hast du da etwas miterlebt?

  • #3

    Joachim (Dienstag, 21 November 2017 15:33)

    Hallo Maja,
    ich schaffe es nie, der erste zu sein, unser Internet-Freak-Onkel ist einfach schneller :-)
    Werde am 26.12. mindestens 10 saure Zipfel für dich mitessen - nachdem ich itbekommen habe, dass du keine Vegetarierin mehr bist, sondern sogar lebenden Maden die Köpfe abbeißt --- iiiihhhhh --- um sie dann genüsslich (?) zu verspeisen.
    Wünsch Dir weiterhin so tolle Erlebnisse!
    Bis bald

    Joachim

  • #4

    Mama (Dienstag, 21 November 2017 16:04)

    Hallo Maja,
    vielen lieben Dank für deinen mal wieder so toll geschrieben- und ausformulierten Blog-Eintrag. Zum Glück bekomme ich ja aber ja immer noch mehr von dir persönlich mit. Ich wünsch dir weiterhin schöne Reisen "on the road" und pass gut auf dich auf! Würde gerne mal wieder eine Pomelo mit dir zusammen verspeisen, aber du bekommst ja ganz andere Nahrungsmittel ;)
    Denk an dich ♥ Mama

  • #5

    Anne (Dienstag, 21 November 2017 20:12)

    Liebe Maja
    Wunderbar, von deinen Reisen zu hören. Ja, das mit der Kamera ist kacke (Geburigeschenk ade *lol*), aber es gibt Schlimmeres! Ich staune, wie du selbständig durch dieses grosse Land reist, kilometer- und stuuundenlang, und bin richtig stolz auf dich! Den Bungy-Sprung habe ich auch gesehen und das Maden-ess-Video. PUH! Weiterhin viel Freude in deiner momentanen Heimat und viel Spass , ganz nach dem Songtext-Motto:
    On the road again
    Goin' places that I've never been
    Seein' things that I may never see again
    Besitos y abrazos, Deine Anne

  • #6

    Moritz (Montag, 04 Dezember 2017 09:11)

    Hammer, viel Spaß weiterhin ��

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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