Grüne Weihnachten & Großstadtsilvester

Da die meisten Menschen in Deutschland diesen beiden winterlichen Festen unter den Feiertagen eines Jahrs den höchsten Stellenwert beimessen, widme ich diesen hier ein paar Zeilen, denn bei mir lief beides dieses Jahr natürlich ganz anders ab als gewohnt.

Von Weihnachtsstimmung im Dezember konnte kaum die Rede sein, nur in der Schule fingen die Kinder fleißig damit an, Weihnachtslieder und -gedichte einzustudieren, mit mir im Unterricht auch auf Englisch.
Diese konnten dann am 23. Dezember bei der Schulweihnachtsfeier vorgeführt werden, bei der abgesehen von Liedern, Tänzen und Beiträgen der Kinder noch einige Reden gehalten wurden, Volleyball gespielt wurde und es als Krönung dann ein Festmahl bestehend aus Yucca (Maniok), Plátano (Kochbanane), Reis und Rind oder Hühnchen gab. Die Stimmung war ausgelassen und nachdem durch das Verteilen von Süßigkeitentüten für leuchtende Kinderaugen gesorgt war, wurden Lehrer wie Schüler in die Ferien entlassen.

Tanz der Kinder in Shuar-Tracht
Tanz der Kinder in Shuar-Tracht
Meine Schüler bei ihrem Auftritt
Meine Schüler bei ihrem Auftritt

Für die meisten Shuar war das auch schon das Höchstmaß an weihnachtlichem Gefeiere, denn das Fest wird hier normalerweise kaum zelebriert - doch zumindest in Selvavida gingen die Feiertage nicht ungeachtet vorbei:
Für den 25. veranstaltete unsere Familie dort mit uns eine Fiesta, die weitaus größer und üppiger wurde, als ich es mir hätte vorstellen können:
Von circa 60 eingeladenen Gästen tauchten die ersten schon zum Frühstück auf - stets in Begleitung von Kinderscharen - und im Verlauf des Vormittags nahm die Anzahl beständig zu.
Die Kleinen tollten herum, Babys wurden in aus Tüchern gespannten Hängematten in den Schlaf geschaukelt, Frauen und Mütter kochten fleißig, Männer tranken Chicha und spielten auf unserem erst kürzlich angelegten Feld direkt unterhalb des Hauses unserer Familie Volleyball und ich verbrachte die ersten Stunden damit, das schwarze, schimmernde Haar von einigen Frauen und Mädchen zu Zöpfen zu flechten. Schließlich - inzwischen prasselte strömender Regen herab - verfrachteten wir Tische, Töpfe und Menschen ins Hängemattenhaus und genossen gemeinsam das von Cesar teilweise gejagte und von den Frauen gezauberte Essen.
Als alle satt und zufrieden waren, wurden ein paar Reden gehalten - auch Jacob und ich bekamen spontan das Wort erteilt - und wir zwei wurden dann sogar noch beschenkt: Je ein Pilche wurde uns überreicht, das schüsselartige Gefäß aus der Schale einer Frucht, in dem schon seit ewiger Zeit in der Kultur der Shuar vom weiblichen Geschlecht die Chicha gereicht wird.
Danach spielten wir mit ein paar aufgedrehten und gut gelaunten Jugendlichen Fußball auf dem Volleyballfeld, das nach dem ganzen Regen praktisch nur aus Schlamm bestand und daraufhin ein Bad im durch die stark gewordene Strömung auch nicht mehr klaren Fluss obligatorisch machte.
Zum pulsierenden Herz der Party war inzwischen das Hängemattenhaus geworden, in dem riesige mit einem Stromgenerator betriebene Boxen aufgebaut worden waren, die lautstark Musik in die Nacht schallen ließen, die die Anwesenden nach und nach zum Tanzen animierte. Ein bisschen amüsant ist für mich immer noch der Gedanke an den ins Kerzenlicht getauchten Anblick von Jacob, wie er mit einer Frau tanzt, die zugleich ein Baby in den Armen wiegt - gar nicht ungewöhnlich hier, denn auch Kinder schwingen ungehemmt das Tanzbein und Tanzpartner wechseln minütlich.

So zog sich die ausgelassene Feier wohl noch bis in die frühen Morgenstunden hin, doch Jacob und ich verließen Selvavida um Mitternacht, um nach Cuenca zu reisen - die hochgelobte Großstadt der südlichen Sierra.
Mit zwei Freundinnen, die in Quito arbeiten, erkundeten wir Cuenca - den ersten Dichtertreff Lateinamerikas, Ursprung der Panamahüte, und Weltkulturerbe - das geprägt ist von zahlreichen prunkvollen Kirchen, schön angelegten Plätzen, attraktiven Essenslokalen, freundlichen, aufgeschlossenen Menschen und hochinteressanten Museen, in denen wir Kunst bewundern und mehr über die indigenen Kulturen Ecuadors (auch über "unsere", die Shuar) in Erfahrung bringen konnten.

Wir nutzten schließlich unseren südlichen Ausgangspunkt, um den nicht weit entfernten Nationalpark Cajas zu besichtigen.
In Cajas dominiert Páramo-Landschaft, das heißt, riesige, moorige, hügelige Grasflächen und unsere circa fünfstündige Wanderung führte mittenhindurch, in stiller Einsamkeit und auf fast 4000 Meter Höhe, bei Sonnenschein, Hagel und Regen.
Für mich besonders beeindruckend war die fast absolute Lautlosigkeit. Denn im Dschungel herrscht  keine Ruhe, sondern es liegen ununterbrochen Geräusche von Insekten, Vögeln, Bäumen, Wind und Wetter in der Luft und in meiner Hütte klingt es für neue Ohren durch das tatsächlich extrem laute Flussrauschen so, als würde es stark regnen.
Cajas mit seiner Weite und Stille war also unbeschreiblich und weckt die Lust auf weitere Wandertouren in den vielen Nationalparks Ecuadors.

Schließlich reisten wir vier nach Norden, Richtung Quito, entlang der Straße der Vulkane, auf die wir aus dem Bus heraus zum Teil grandiose Blicke erhaschten.
Kurzen Zwischenstop legten wir in Riobamba ein, wo wir hauptsächlich das bunte nächtliche Treiben kennenlernten - am nächsten Tag erreichten wir dann die Hauptstadt Ecuadors, in der wir uns mit noch mehr Freiwilligen verabredet hatten.
Es war ein eigentümliches Gefühl, sich wieder an dem Ort zu befinden, wo wir vor über vier Monaten ankamen, der praktisch der Ausgangspunkt für unser Freiwilligenjahr war und den wir zuletzt gesehen hatten, als wir noch keinen Schimmer von Ecuador und in meinem Fall dem Dschungel und Selvavida hatten.
Als wir sozusagen noch jung und naiv waren ;) und das Jahr 2018 meilenweit entfernt schien, in das wir am Silvesterabend ausgibig reinfeierten!
Zu einer vollkommenen Nacht fehlte lediglich das Verbrennen einer selbstgebastelten menschensgroßen Puppe, wie man es hier macht, um symbolisch alles Negative des Vorjahrs hinter sich zu lassen. 

Auf dem Panecillo in Quito
Auf dem Panecillo in Quito

Bestimmt schaffen wir das aber auch so - ich zumindest bin wieder mit Vorfreude heim in den Urwald und auch zurück hinter das Lehrerpult gekommen und freue mich über mein Leben hier, was inzwischen teilweise Routine ist aber trotzdem ständig Überraschungen birgt wie zum Beispiel dieses faszinierende Tier - oder ist es doch eher eine Pflanze?

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Kommentare: 7
  • #1

    Mama (Samstag, 13 Januar 2018 19:54)

    Meine Liebe Maja, ich glaube du wirst mal Autorin, deine Blog-Einträge lesen sich so schön und beeindruckend! Toll, was du alles erleben darfst!
    Hier hast du uns an Weihnachten gefehlt, aber du hattest ja auch aufregende und erfüllte Tage! Bin sehr froh immer wieder von dir zu hören! Nicht nur hier im Blog! Deine Mama ❤️

  • #2

    Anne & Stanley & Dieter (Samstag, 13 Januar 2018 21:29)

    Liebe Maja
    Zu dritt haben wir gerade von deinen neuen Abenteuern gelesen und sind froh (zumindest, ich, Anne, bin's), dass du heil wieder back in deinem Dschungel bist. Mannomann, so weit weg!!!
    Auf jeden Fall ist und bleibt es spannend, was du so erlebst und unternimmst - ja, ein wenig Fernweh und Lust auf Abenteuer bekomme ich da schon. Vielen Dank fürs Erzählen, so dass wir aus der Ferne teilhaben können, immer mit Blick auf google maps, wo wir dann staunen, wie viele Hundert von Kilometern du zurücklegst.
    Weiterhin viel Freude in Ecuador wünschen wir drei dir.

    P.S. Dieter fragt, ob der Blätterkäfer auf dem Foto auch essbar ist?!

  • #3

    Marion Petschenka (Sonntag, 14 Januar 2018 20:45)

    Hallo liebe Maja :)))
    Recht hatte deine Mutter … du hast das Zeug zur guten Autorin… habe schon auf deinen neuen
    Bericht gewartet…� und es sind wieder soooo tolle Geschichten!!
    Wunderschöne Bilder von einer weit entfernten Welt…
    Du wärst sicher mal ein spannender Talkrundengast… neben den ganzen langweiligen Schauspielern,
    die ihre kleinen Filme vorstellen, hättest DU wirklich was zu erzählen …
    Für dich und deine Shoar-Familie alles Gute und noch eine ganz wundervolle und spannende Zeit…
    Bleib so fröhlich, so erfrischend und so begeisterungsfähig......
    Liebe Grüße nach Selvavida!
    Marion und der Rest der Familie
    PS:...... die schönen Zöpfe ....ich bin ein bisschen neidisch �

  • #4

    Erika und Walter (Montag, 15 Januar 2018 06:36)

    Wie immer sehr schön zu lesen und zu betrachten, herzlichen Dank und weiterhin alles Gute, wir freuen uns auf die nächsten Abenteuer aus Ecuador.

    Diesmal haben wir es nicht geschafft die Ersten zu sein - Erika und Walter.

  • #5

    Die Postalm Crew (Montag, 15 Januar 2018 15:12)

    Hallo Maja,
    deine Berichte sind echt der Hammer. Wir hatte wieder eine schöne Zeit in Eben und freuen und schon drauf wenn du mit uns eine Runde Ski fahren gehst.
    lg
    aus Großwallstadt und Mömlingen von der Postalm Crew :)

  • #6

    Moritz (Sonntag, 04 Februar 2018 15:54)

    ☺️��

  • #7

    Toni Bonelli (Dienstag, 06 Februar 2018 11:40)

    Hallo Maja, first of all, ziehe ich meinen Hut und verbeuge mich tief vor dir, du hast meinen vollen Respekt, was du da machst. Vor allem unter welchen Umständen, und das beste ist ja das du es auch noch für super schön findest. Lesen ist ja nicht unbedingt mein Lieblingshobby aber ich habe jemand der/die mir gerne deine Blogs vorliest und da muss ich sagen das ich da schon manche Gänsehaut bekommen habe. Ich wünsche dir noch eine schöne Zeit und das wir uns in "old europe" ganz Gesund wiedersehen werden.
    LG Toni

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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