Ein ganzes halbes Jahr

Es ist der 27. Februar 2018, ein eigentlich ganz normales Datum, das für mich jedoch von besonderer Bedeutung ist.
Denn vor exakt sechs Monaten stieg ich in ein Flugzeug, um Deutschland für ein Jahr hinter mir zu lassen und in exakt sechs Monaten werde ich in ein Flugzeug steigen, um Ecuador für ungewisse Zeit hinter mir zu lassen.
Es ist Halbzeit.
Während ich mir diese Tatsache durch den Kopf gehen lasse, sitze ich an meinem Lieblingsplatz, der sowohl für die Shuar in seiner symbolischen Bedeutung als auch für mich ein besonderer Ort ist: La Cascada, der Wasserfall des Río Colorado, der eine halbe Stunde Fußweg von daheim entfernt liegt.

Ja, von daheim.
Der Dschungel, insbesondere Selvavida, ist für mich trotz seiner mir manchmal unheimlichen Seiten ein weiteres Zuhause, Cesar, Lucy, Tunti und Jacob sind für mich eine weitere Familie geworden und die Shuar aus den umliegenden Gemeinden eine weitere Verwandtschaft, deren Kultur ich wahrscheinlich nie komplett nachvollziehen kann aber für die das Verständnis wächst und die gegenseitige Vertrautheit steigt, und auch meine Schüler sind mir in gewisser Weise ans Herz gewachsen in den letzten sechs Monaten.

mit meinen Schülern
mit meinen Schülern

Deshalb macht mir die Vorstellung, den Ort und das Land in der gleichen Zeit endgültig zu verlassen, manchmal Angst.
Denn als ich Deutschland, Familie, Freunde und mein geliebtes Umfeld verließ, wusste ich, dass ich in absehbarer Zeit zurückkommen würde und das Gehen viel mir nicht schwer, was ist schon ein Jahr in einem Leben?
Doch wenn die Zeit hier vorüber gegangen sein wird... ist es ein Abschied auf ungewisse Dauer, der Abschied von einem Leben in einem Jahr.
Und so sehr ich mich auch wieder auf das Zurückkommen und das für mich in Deutschland weiterschreitende Leben freue, und so viele Dinge es gibt, die mich hier stören (denn ja, es läuft nicht alles perfekt hier, auch wenn ich gerade im Blog den Hang zum idealisieren habe), fällt mir der Gedanke zu gehen schwer.
Aber natürlich weiß ich selbst, noch ist nicht der Zeitpunkt, um sentimental zu werden, ein ganzes halbes Jahr steht noch bevor.

Motivation und Inspiration dafür habe ich auf jeden Fall auf dem Weltwärts-Zwischenseminar gesammelt.
Hierfür kamen wir zwölf Freiwilligen, die wir in Quito, an der Küste, in Ibarra, Otavalo, Macas, oder dem Dschungel leben, sowie aus Deutschland Henrike, unsere "Chefin" von KulturLife und Franzi als weitere Betreuerin in Mindo, westlich der Anden im Nebelwald zusammen und verbrachten eine Woche gemeinsam in unserer Unterkunft "Mindo Lindo", wo uns ein ganzes großes Selbstversorgerhaus zur Verfügung stand, in dem stets eine extrem gemütliche und zwischen allen vierzehn Leuten harmonische Atmosphäre herrschte.
Wir sprachen über die einzelnen Projekte, weltwärts allgemein, persönliche Entwicklung, Pläne für die zweite Hälfte sowie für danach, Ängste und Hoffnungen, aktuelle Thematiken in Ecuador wie die Erdölextraktion im Yasuní-Nationalpark, darüber, wie KulturLife mehr männliche Bewerber anlocken kann, und über alles, was uns auf dem Herzen liegt.
Es war dabei so schön, wieder alle zu sehen und ich bin wie schon nach dem Vorbereitungsseminar restlos begeistert sowohl von KulturLife, weltwärts, als auch von unserer Gruppe und natürlich meinem Projekt, was - davon bin ich überzeugt - für mich persönlich das bestmögliche ist.
Aber es freute mich ebenfalls sehr, den Schilderungen der anderen zu lauschen, die ebenfalls überwiegend zufrieden sind, an eventuellen Schwierigkeiten gewachsen sind und spannende Geschichten zu erzählen haben.

Mir wurde mal wieder bewusst, wie vielfältig Echador ist und damit auch die einzelnen Projekte, was Henrike, unsere "Chefin", besonders stark erlebt haben muss, da sie jedes einzelne in ihrer kurzen Zeit hier besucht hat.
Auch im Dschungel wurde sie direkt nach dem Seminar herzlich willkommen geheißen und konnte einen Blick in unser (Arbeits)Leben erhaschen, kam danach aber hoffentlich trotz des Busstreiks rechtzeitig nach Quito zum Rückflug.

Zurück zum Seminar - abgesehen vom mündlichen Austausch haben wir alle viel Zeit mit der Essenszubereitung für vierzehn hungrige junge Leute verbracht, Werwolf gespielt, eine Tour durch den umliegenden Nebelwald, eine Schokoladenführung gemacht und den letzten Tag mit Canyoning (Wasserfälle abseilen) und nächtlichen Salsarhythmen genossen.

Höhepunkt der Schokotour😋
Höhepunkt der Schokotour😋
Bereit für Wasserfälle
Bereit für Wasserfälle


Doch auch dieser halbjährliche Einschnitt ging vorbei und jetzt heißt es wieder:


Viva la SelvaVida - Es lebe das Dschungelleben.

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Kommentare: 6
  • #1

    Marion Petschenka (Mittwoch, 07 März 2018 22:17)

    Liebe Maja:))))
    Wir haben schon auf neue Nachrichten aus Selvavida gewaaaartet… so schön von dir zu hören :)))))
    Ein ganzes halbes Jahr … !?! und noch ein ganzes halbes Jahr hast du vor dir…
    viel Zeit noch … für schöne Erlebnisse…
    Herzliche Grüße
    aus dem langsam vom Winterschlaf erwachenden Deutschland
    Marion mit Familie

  • #2

    Erika und Walter (Donnerstag, 08 März 2018 06:22)

    Liebe Maja, wie schon vorher sind deine Nachrichten sehr schön zu lesen und wir freuen uns jedes Mal wenn die elektronische Post was Neues bringt. Herzlichen Dank und alles Gute für die zweite Halbzeit von Erika und Walter.

  • #3

    Anne & Stanley (Donnerstag, 08 März 2018 18:08)

    Liebe Maja
    Toll, wieder von dir zu lesen! Dieses halbe Jahr war ja schon gefüllt mit Erlebnissen und Eindrücken - die Woche mit den anderen Freiwilligen bestimmt auch eine willkommene Abwechslung - und ja, jetzt noch einmal 6 Monate in deinem "Daheim". Für diese Zeit wünschen wir dir viele weitere positive Eindrücke und Erlebnisse! Und dieses Schoggi-Teil sieht ñamñam aus! Alles, alles Liebe, Deine Anne & Stanley

  • #4

    Mama (Donnerstag, 08 März 2018 21:19)

    Meine liebe Maja,
    Ich freue mich so für dich dass du das alles so erleben kannst und es sogar als ein weiteres „daheim“ und eine weitere Familie bezeichnen kannst. Das ist so wertvoll und schön!
    Ich wünsch dir alles alles Liebe für die zweite Hälfte und freue mich aber auch schon sehr, dich wieder in dem hiesigen daheim in meine Arme schließen zu können!! Hab dich lieb! ❤️ Deine Mama

  • #5

    Oma & Opa (Freitag, 09 März 2018 18:33)

    Meine Liebe Maja,
    Ich lese so gerne die Briefe und Berichte von dir und freue mich, dass es dir dort gut geht und du mit den Leuten so guten Kontakt hast. Wir freuen uns wenn du wieder daheim bist.
    Alles liebe von Oma und Opa

  • #6

    Woody (Freitag, 18 Mai 2018 00:47)

    Dear Maja, even tho I don't understand a lot, but your pictures are a eyes pasture. Keep uploading, that's not from bad parents. I don't want to rasp compliments, but it's the truth. All the best, Woody

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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