Unterwegs - Costa, Sierra, Oriente

Ecuador, das Land der Vielfalt, die mir auf Reisen innerhalb der drei grundverschiedenen Zonen jedes Mal von neuen vor Augen geführt wird. Mitte November schrieb ich zuletzt von den Ausflügen, die ich bis dahin unternommen hatte und seitdem habe ich an Wochenenden, Feiertagen und Ferien oft weiterhin sehr viel Zeit gerne den Busfahrten gewidmet, die mich / uns im Land herumbrachten. 

Ich berichte lieber nur von wenigen ausgewählten Reisen und versuche dafür, meine Beschreibungen möglichst bildlich zu gestalten, denn leider steht mir nur noch eine sehr kleine Auswahl an echten Fotos unmittelbar zur Verfügung, mit denen ich den Blog schmücken kann, da mein Handy kaputt ist. Aus diesem Grund bin ich übrigens auch nicht mehr über Whatsapp erreichbar und freue mich über Emails an maja.peer@web.de  !



Puerto López -

das erste Ziel, das ich mir für meine Reise an die Küste herausgesucht hatte, die ich in der Woche Schulferien vor dem Zwischenseminar im Februar unternahm - ich hatte Lust auf Meer!

Nach circa 14 Busstunden mit einigen Malen Umsteigen kam ich in dem kleinen aber bei in- und ausländischen Touristen sehr beliebten Städtchen an, das an der südlichen Pazifikküste Ecuadors gelegen ist. Puerto López hat einen ganz schönen Strand und jeden Morgen ziehen Fischer dort ihre umfangreichen Erträge an Land, die in kleinen Comedores (Restaurants / Essbuden) unmittelbar zu saftigem Ceviche (roher Fischsuppe) verarbeitet werden. Puerto López ist auch deshalb so reizvoll, weil man von dort Ausflüge in den Parque Nacional Machalilla - Ecuadors einzigen und stark bedrohten Küstennationalpark unternehmen kann, dessen Vegetation vorwiegend aus Trockenwäldern besteht. An der Playa de los Frailes, zu dem ich an einem Tag einen Ausflug machte, setzt dieser trockene Küstenwald direkt hinter der Sandbucht des wunderschönen Strandes an und bildet einen dunkelgrünen Kontrast zum weißen Sand und klaren blauen Meer zu seine Füßen. 

Neben des Waldes und einiger Strände schließt der Nationalpark die Isla de la Plata ein, eine ebenfalls unter dem Namen "Galápagos für Arme" bekannte Insel. Diese kann man ausschließlich über geführte Touren besuchen und auch für mich ging es mit dem Boot von Puerto López aus dorthin. Einmal angekommen, begleitete ein Führer uns zwölf Leute auf einem Wanderpfad die Insel entlang, auf der ganze Kolonien von Meeresvögeln wie Blaufußtölpel und Fregattvögel leben, die wir aus der Nähe beobachteten. Den Namen Galápagos für Arme machte die Isla de la Plata aus meiner Perspektive erst recht alle Ehre, als wir kapp unter der Meeresoberfläche Riesenschildkröten bewundern konnten und bunte Fischschwärme uns durch Taucherbrillen beim Schnorcheln anschillerten. Gut, dass die Insel vor gar nicht allzu langer Zeit in den Nationalpark integriert wurde und dadurch besonderen Schutz genießt.

Puerto López - ein superschöner Beginn meiner Ferien, in denen ich anschließend über die Küstenstadt Bahía de Caráquez ins Stranddörfchen Canoa, von dort aus zum Biobauernhof Río Muchacho und schließlich zum Zwischenseminar mit unserem Freiwilligenhaufen nach Mindo reiste. 


Morona / Peru

Bei Kerzenschein durften wir in den Abendstunden Selvavidas oft Cesars Erzählungen über den "Gato" (Kater) lauschen, der seinen Spitznamen den angeblich grünlichen Augen zu verdanken hat. El Gato ist ein Freund von Cesar, der mit Frau und Kind im Dschungel nahe der peruanischen Grenze unmittelbar am Ufer des Río Macumas lebt.

Zusammen planten wir, ihn an einem verlängerten Wochenende zu besuchen. Cesar, sein Schwiegersohn, Tuntiak, Jacob und ich brachen in Macas frühmorgens auf und fuhren sechs Stunden im Bus gen Südosten, ausgestattet mit Trinkwasser, Isomatten, Decken, Mosquitonetzen, Angel und co. Das vorübergehende Ziel: Morona, eine kleine Stadt direkt am Fluss, aus der sehr viel Fisch exportiert wird und die nicht mit dem fast gleichnamigen Morona Santiago zu verwechseln ist, dem Namen der gesamten Provinz, deren Hauptstadt Macas ist. 

Von hier aus setzt sich die Reise im Kanu fort und zum Glück treibt Cesar einen Steuermann auf, der uns etwa zehn Minuten flussabwärts navegiert. Der Río Morona ist trüb und lädt nicht unbedingt zum Baden ein, vor allem mit dem Hintergrundwissen über dessen Bewohner: Krokodile, Amazonasflussdelfine und eine Menge unheimlicher Tiere mehr.

Wir kommen an und man weiß nicht genau, woran der Fahrer das fest macht, denn das Ufer sieht zumindest für meine ungeschulten Augen überall gleich aus. Eine Minute laufen wir durch hohes Gras, dann liegt vor uns die Heimat des Katers: Ein verhältnismäßig großes Holzhaus innerhalb von einer Lichtung, in der einige Fruchtbäume und ein paar Zuckerrohrstangen emporragen und von der nach rechts und links jeweils ein kleiner Pfad abgeht. Der Ort wirkt verlassen, es ist noch nicht einmal Feuerholz da, wie es sonst in allen Shuarfamilien eigentlich üblich ist, aber dafür rennen Hühner herum. Cesar holt für uns etwas köstliches Obst von den Bäumen und folgt anschließend einem der beiden Wege, um über Gatos Aufenthaltsort zu forschen. Wenige Menschen leben hier im Umkreis, vor allem handelt es sich um seine weitläufigen Familienmitglieder, die Cesar mitteilen, dass der Kater arbeitstechnisch in Macas unterwegs ist (da kommen wir doch gerade her...).

Trotzdem scheint es okey zu sein, dass wir es uns in dem verlassenen Haus gemütlich machen und ein provisorisches Schlaflager herrichten, das von unzähligen Kakerlaken genaustens inspiziert wird.

Wir gehen bei den Nachbarn essen, die uns frisch aus dem Fluss geholten, im Blatt zubereiteten Fisch - köstlich - und später Chicha servieren.

Schon etwas schade, dass Cesars Freund, der Kater, nicht da ist, mit dem wir viel mehr hätten unternehmen können, doch als Ironie des Schicksals taucht an seiner Stelle in der Nacht ein echtes Kätzchen auf.

Glücklicherweise besitzt einer der Nachbarn ein Kanu und erklärt sich am nächsten Tag bereit dazu, uns für einen geringen Preis ein bisschen herumzuschiffen.

Ich untertreibe: Wir kommen bis nach Peru!! 

Tatsächlich steigen wir ein ganzes Stück weiter flussabwärts aus dem im Wasser gleitenden Gefährt aus Holz aus und übertreten einmal kurz die Grenze ins Nachbarland, die durch einen Stein, der die Koordinaten angibt, markiert ist. Die Position jener Grenze zwischen Ecuador und Peru war in dieser Region übrigens lange Zeit schwer umkämpft, das Gebiet, auf dem wir stehen, ein Schlachtfeld. Genug jetzt vom Nachbarland, wir steigen zurück ins Boot und auf dem Rückweg über den Fluss genießen wir ein weiteres Highlight. Ein rosafarbener Delfin taucht zweimal ganz in unserer Nähe für einen kurzen Moment aus dem Fluss auf!

Der eigentliche Plan, Gato zu besuchen, ist an diesem Wochenende theoretisch gescheitert, doch Scheitern fühlt sich anders an.


Quilotoa -

Ecuadors berühmter kristallblauer Vulkankratersee, der, wenn man den Erzählungen Glauben schenkt, keinen Boden hat, lockt uns. Mit zwei Quitofreiwilligen Anni und Bianca treffen Jacob und ich uns in der nahen Stadt Latacunga, die zwei Stunden südlich von Quito liegt. Am Samstagmorgen komme ich nach einer Busnacht als letzte von uns vier im vereinbarten Hostel an und ohne große Umschweife machen wir uns auf den Weg nach Quilotoa!

Wir haben großes Glück, dass die hier im Hochgebirge intensiv brennende Sonne zuverlässig scheint, entscheiden uns dafür, den See von nahem zu bewundern und wandern hinab an dessen Ufer. Die schon hochgelobte Sonne spendet nicht nur angenehme Wärme, sondern lässt den Kratersee auch in verschiedenen und sich ununterbrochen ändernden Blau-, Türkis- und Grüntönen erstrahlen. Nach ausgiebigem Bewundern der kaum beschreibbaren Farben des Wassers und einer Kayakfahrt der anderen darin treten wir den Rückweg auf dem gleichen staubigen Weg steil bergauf an. In dieser Höhe bringt einen solch eine körperliche Aktivität ganz schön ins Schwitzen, doch auf die Pferde, die einem ständig angeboten werden, um die Strecke zu bewältigen, verzichten wir dankend.

Jener Samstag bleibt als wunderschöner Tag im Kopf, nur seltsam irgendwie, wie selbstverständlich einem die eigentlich atemberaubenden Landschaften wie dieser magische See hier in Ecuador inzwischen manchmal vorkommen..



Taisha

das sagenumwobene Endziel aller Busse, die mich von Macas nach Selvavida und von Selvavida täglich nach Tunants bringen.

Gut ausgebauter Militärstützpunkt und zugleich angeblich "una ciudad muerta", eine leblose Stadt, in der es zu heiß ist, als dass ihre Einwohner auf den Straßen flanieren.

Ein angebliches Touristenziel, zumindest wirbt ein Schild am Straßenrand kurz vor Ankunft in Selvavida mit Cultura, Artesanía, Gastronomía und Turismo.

Eine einsame Oase, die es einem angeblich möglich macht, mitten im Dschungel zu shoppen, wegzugehen, zu essen und zu übernachten.

Nur 83 Kilometer jedoch circa sechs holprige Busstunden von der Hauptstraße Macas-Puyo entfernt und vor drei Jahren lediglich mit Kleinflugzeugen zu erreichen.

Taisha - ein Mythos, den Jacob und ich nach einem halben Jahr endlich lüften wollten.


Nach einem freitäglichen Schultag trafen wir uns in Tunants vor meiner Schule, um zum ersten Mal für eine Wochenendreise in den Bus "nach rechts" zu steigen, Richtung - wer hätte das jetzt gedacht - Taisha. Leider war das geplante Fahrzeug schon weit vor Tunants kaputt gegangen und die Panne bescherte uns mindestens zwei Stunden Wartezeit, bis der nächste natürlich überfüllte Bus uns schließlich aufgabelte. 

Im Verlauf der über drei Stunden langen Fahrt wird die Straße teilweise noch viel holpriger als sie schon vorher ist, das Klima deutlich schwüler und der Fensterblick bleibt ähnlich: Dschungel, so weit das Auge reicht, vereinzelte Siedlungen und Bananen- und Yucafelder für den Eigenbedarf ansässiger Familien.

Es wird langsam dunkel. Plötzlich bessert sich die Straße merklich, wir werden weit weniger durchgeschüttelt und die Anzeichen von menschlichem Eingriff und Leben mehren sich. Da, auf der rechten Seite, eine Tankstelle! (eher: zwei Zapfsäulen). Ein höchst seltsamer Anblick hier. Wir kommen kurz darauf in Taisha an, erleichtert, dass wir für die Rückkehr ein anderes Verkehrsmittel eingeplant haben...

Es fühlt sich unwirklich an, in dieser Dschungelstadt zu stehen, von der wir schon so viel gehört haben aber von der jegliche Vorstellung fehlte. Wir laufen durch die von Laternen beschienenen staubigen Straßen, die ein Gefühl von wildem Westen aufkommen lassen. Die wenigen Menschen, denen wir begegnen, grüßen uns freundlich und mustern uns neugierig-fragend. Schließlich finden wir das Hotel, welches mir dessen Besitzer, als er mich einmal im Auto mit in die Schule nahm, empfohlen hatte.

Nach einem kurzen Essen überfällt uns die Müdigkeit und wir schlafen in einem Zimmer, zu dem ein Bad mit zum Glück funktionierender Dusche gehört (die Wasserversorgung ist wohl unzuverlässig in Taisha) und in dem ich sogar Wlan habe.

Am nächsten Tag erwache ich in einer trotz der frühen Morgenstunden bereits sengenden Hitze und wir schlendern in der Stadt (oder lieber: im Dorf? Beides trifft es nicht.) herum, finden einen verlassenen Park mit großen bunten Buchstaben, die hollywoodmäßig den Namen TAISHA formen, wie es dies in allen größeren Städten Ecuadors zu geben scheint. Auch das Marktgebäude suchen wir auf, doch es ist leer, wird angeblich gerade umgebaut. Nach Artesanías (Kunsthandwerk) schauen wir uns ebenso vergeblich um, doch Gastronomía finden wir in Form eines Fruchtstandes, der uns köstliche frische Obst-Batidos (Milchshakes) verkauft und bei einem süßen kleinen kolumbianischen Restaurant in der Hauptstraße, in der tatsächlich ein wenig Treiben herrscht. Lange wollen Jacob und ich nicht in Taisha bleiben, denn die Stadt erscheint tatsächlich ein wenig leblos und das große Plakat übertreibt heute vielleicht noch ein wenig. Doch schlecht reden will ich den Ort nach einem halben Tag Aufenthalt nicht, es braucht schließlich manchmal Zeit, um die schönen Flecken zu entdecken und den wahren Charakter einer Stadt zu spüren.

Außerdem konnte sowohl meine Neugier auf den Mythos Taisha gestillt, als auch der andere essentielle Hauptgrund unserer Anreise erfüllt werden:

Das Vorhaben, den Rückweg über die vor drei Jahren noch übliche Luftroute anzutreten!

Nach einigem hin und her finden wir den Chef einer der circa vier Fluglinien, die am heutigen Samstag nach Macas verkehrt und legen das Unternehmen für 30 Dollar pro Person fest. In einer alt und etwas klapprig wirkenden Maschine sollen wir (Pilot, Fluglinienchef, ein weiterer Passagier, Jacob und ich) nun hoffentlich sicher in Macas ankommen - meine Sorgen bezüglich dessen sind deshalb so groß, weil früher einige Kleinflugzeuge auf der Route Macas-Taisha abgestürzt sind. Doch alle Aufregung wird in dem Moment absolut nichtig, da meine Augen ein verhältnismäßig winziges und doch schier unermessliches Stück des gigantischen Urwalds Amazoniens aus der Vogelperspektive wahrnehmen. Ein atemberaubendes, niemals endendes, undurchdringliches Grün, durch das sich wie eine Riesenschlange der Río Macuma zieht, auf den man ab und zu einen Blick erhascht und in dem ich täglich bade, wie ich mir fasziniert ins Gedächtnis rufe. Absurderweise mache ich zweimal irgendwo im nirgendwo des Dschungels das Blechdach einer einzelne Hütte aus, wie ist das möglich?? Wie viel geballtes und unvorstellbares Leben unter uns liegt. 20 Minuten braucht das Flugzeug circa, bis es in Macas landet - im Bus säßen wir dagegen sechs Stunden...

Der Mythos Taisha ist ein wenig gelüftet, doch das Wochenende, die Stadt selbst und der Flug mit der Aussicht auf die grüne Lunge unserer Erde war - kaum ein Wort beschreibt es treffender - mysthisch.

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Kommentare: 3
  • #1

    Erika und Walter (Donnerstag, 05 Juli 2018 06:43)

    Wie immer, sehr schön zu lesen, besten Dank und noch schöne, erlebnisreiche Tage und demnächst hoffentlich gesund wieder in der Heimat, alles Gute Erika und Walter.

  • #2

    Mama (Donnerstag, 05 Juli 2018 10:19)

    Soooo schön zu lesen, Maja, du lebst und erlebst dort so vieles, es freut mich für dich, wie sehr du das alles in dir aufnimmst! Genieße weiterhin, melde dich bitte ab und zu, jetzt halt nur noch per mail, ich freue mich riiiiesig auf dich ♥ deine Mama ♥

  • #3

    Anne (Montag, 16 Juli 2018 16:47)

    wow. Was für tolle Berichte! Ich bin hin und weg, wäre auch gerne dort und bewundere deinen Reise-Mut! besos fuertes, ich freu mich auf dich! Anne

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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