Dies und Das

Ich habe es versucht. Ich habe es versucht, einen weiteren regulären Blogeintrag zu verfassen, der den vielversprechenden Titel "Selvavida internacional" tragen sollte und das Bild, das ich in diesem Blog vom Dschungelprojekt zu erschaffen versuche, um ein weiteres Puzzlestück ergänzen sollte. 

Denn in Selvavida sind Jacob und ich zwar die einzigen Ausländer, die derzeit ein ganzes Jahr verweilen, aber das Projekt - gerade der ökologische Teil - ist im Rahmen von Kurzzeitfreiwilligendiensten auch für alle anderen Interessierten geöffnet, ein Angebot, was vor allem nur zur europäischen Sommerzeit angenommen wird und innerhalb meiner Zeit hier ein paar Deutsche, Franzosen, Belgier, Nordamerikaner und Spanier in den Dschungel brachte, mit denen wir hauptsächtlich am Hängemattenhaus (im Sommer 2017) und an den neuen ökologischen Trockenklos (im Sommer 2018) arbeiteten.

Cesar heißt neben den Freiwilligen aber auch "extranjeros internacionales" willkommen, die aus touristischen Motiven zu uns kommen, um Dschungel und Shuarkultur hautnah zu erleben, und die hauptsächlich durch uns (Jacob und mich, aber auch andere weltwärts-Freiwillige) von Selvavida erfuhren und die wir kurzerhand oft einfach auf einer Reise in Ecuador aufgabelten und mit in den Wald nahmen. Dort zahlten sie einen fairen Preis für Schlafplatz und Verpflegung und bekamen ordentlich was geboten. Denn Cesar realisierte mit den Gästen stets spannende Unternehmungen, die Jacob und ich uns natürlich kaum entgehen ließen: Angeln, Tubing (den Fluss auf einem luftgefüllten Reifen hinabfahren), Dschungelwanderungen zu Wasserfällen, Camping ohne Campingausrüstung im Wald,  Beiwohnen von Fiestas in der Comunidad, eine Erklärungstour der unzähligen Heilpflanzen, von denen wir allein in unserem Projekt eine unglaubliche Vielfalt haben, und vieles mehr gehörten zu jenen Aktivitäten.

Mit den Touristen und Kurzzeitfreiwilligen kam also eine zwar seltene aber herzlich willkommene Abwechslung und ungewohnt viel Leben nach Selvavida - und all das wäre sicherlich einen eigenen Blogeintrag wert.


Doch wie zu Beginn schon erwähnt: Der Versuch, einen strukturierten Bericht daraus zu kreieren, wollte und wollte mir diesmal nicht gelingen. Zu viel schwirrt mir im Kopf herum. Über viel zu viele Themen wollte ich hier eigentlich generell noch erzählen. Und - ehrlich gesagt - schreibe ich inzwischen viel lieber in mein persönliches Notizbuch. Denn darin kann ich meiner Hand freien Lauf lassen. Kann sie von meinen momentanen Gedanken leiten lassen und diese ungefiltert aufs Blatt rieseln lassen.

Während dagegen ein Blogeintrag inzwischen recht viel Arbeit bedeutet. 

Denn meine Art, Blog zu führen, hat sich im Vergleich zum Anfang sehr verändert. Damals berichtete ich noch relativ chronologisch und schlicht und einfach über alles, was im Rahmen des Freiwilligendienstes geschah - und es passierte schließlich auch jede Menge Verschiedenes und Erzählenswertes: das Spendensammeln, das Vorbereitungsseminar, der Hinflug, die Ankunft und Vorbereitung in Quito, die erste Zeit im Projekt, Unterrichten. Alles aufregend, neu und klar: perfekt, um es in einen Blogartikel zu packen. 

Doch dann... lebte ich schließlich ein Jahr im Urwald! Tagesaktivitäten wiederholen sich, Wochen ähneln sich, Monate fließen dahin, die Zeit vergeht, und das Gefühl schlich sich bei mir ein, dass die Leser des Blogs kaum auch nur ansatzweise eine Idee davon haben, WIE es ist. Hier, für mich.

Somit begann ich damit, mich in Blogartikeln auf einzelne Themen zu konzentrieren, um tiefere Einblicke in einzelne Gebiete, die den Freiwilligendienst für mich ausmachten, zu geben. Es kam viel Recherchearbeit dazu - denn gerade, wenn ich über einen Aspekt der Shuarkultur schrieb, wollte ich vorsichig vorgehen und mich möglichst an die objektive Wahrheit halten, da diese meine Worte wahrscheinlich die einzigen sind, die euer Bild von den Shuar prägen, eine Kultur, der man im Alltag Europas schließlich eher selten über den Weg läuft, weshalb ich sie möglichst ohne jeglichen Wertungen beschreiben wollte.

Die Blogartikel wurden also aufwändiger, da ich sie stark zensierte, und es kostete schon eine kleine Überwindung, einen Eintrag anzufangen, auch wenn mir das Schreiben an sich Spaß macht.

Und doch hatte und habe ich natürlich die Motivation, die Menschen, die so wesentlich dazu beigetragen haben, diesen Freiwilligendienst erst zu ermöglichen, an meinem Jahr in Ecuador auch ein Stück weit teilhaben zu lassen!

Niemals hätte ich dann allerdings damit gerechnet, dass es so viele Themen geben würde, die ich hier eigentlich unbedingt behandeln will und sollte, um eine möglichst vollständige Vorstellung zu ermöglichen.

Denn bisher zeigt der Blog nur so wenige Fragmente aus sowohl meinem Freiwilligendienst, der Arbeit in der Schule, Ecuador, der Kultur der Shuar.. Und das wird sich nun wohl auch nicht mehr groß ändern. Das Jahr und damit auch der Blog ist für mich fast vorbei und so werde ich zumindest nicht schriftlich, aber dafür gerne mündlich in Deutschland von all den wesentlichen Dingen erzählen, die ich noch für den Blog geplant hatte: 

Von Selvavida internacional natürlich; über meine tierischen Freunde und Feinde im Dschungel; über das Gemeinschaftsgefühl, das ich innerhalb von Menschengruppierungen noch nie so stark erlebt habe wie in der Shuarkultur; von Fiestas und Mingas (gemeinschaftliche, hier typische Arbeitstreffen), denen ich beiwohnen durfte und die hier einen großen Aspekt im Leben ausmachen; über die Probleme, mit denen die Shuar sich heute konfrontiert sehen; über meine Zukunftspläne, die mich natürlich auch sehr beschäftigen in dem ganzen Jahr hier; den Abschied in der Schule, der sehr emotional für mich war, wollte ich auch nicht unerwähnt lassen, und und und. 


Viel zu viel eben, was ich gerne hier thematisieren würde, schon an dem einen geplanten Thema bin ich heute schließlich gescheitert, was wohl auch daran liegen kann, dass ich gerade so weit weg von allem bin, fern von Blogs und ähnlichem: Mein Kopf ist genau wie der Rest von mir in Kolumbien. 

Ja, auch das ist ein Detail, das ich hier bisher unerwähnt gelassen habe: Die letzten Wochen hatte ich die Gelegenheit, dank der durch die Schulferien freien Zeit den nördlichen Nachbarn Ecuadors ein wenig näher kennenzulernen, ja, mich von Kolumbien verzaubern zu lassen. Doch jetzt bin ich schon ganz im Süden des Landes, am Ende meiner Reise, und morgen überquere ich die Grenze nach Ecuador, um im Dschungel in meiner Gemeinde noch die letzten Tage zu verbringen. 


Meine Gedanken und Gefühle sind fast so ein großes Chaos wie dieser Blogeintrag, den ich zum ersten Mal in meiner Blogger-Karriere (die bald glücklicherweise endet, hier bin ich nicht in meinem Element ;) ) ohne Kontrolllesen ganz genau so veröffentliche, wie ich ihn runtergeschrieben habe, er ist ein einfaches DiesUndDas geworden. 


Der 25. August nähert sich mir und uns und allen gefährlich schnell und dieses Datum markiert für mich Ende und Anfang.

Mein Leben als 18jährige ist genau wie der Freiwilligendienst und der Aufenthalt im ecuatorianischen Dschungel an diesem Tag vorbei. Gleichzeitig fange ich einen ganz neuen Lebensabschnitt an und beginne mein Dasein als 19jährige nach einem langen Flug wahrscheinlich erstmal damit, geliebte Menschen nach einem Jahr wieder in die Arme zu schließen. 


Liebe Grüße an alle aus Kolumbien, ab morgen bin ich schon wieder in Ecuador, ab Ende August in Deutschland. Bis dann!

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Kommentare: 6
  • #1

    Mama (Montag, 13 August 2018 17:15)

    Mein lieber kleiner großer Schatz!
    Ich kann mir so ein bisschen vorstellen, wie es dir geht, dieses hin- und her der Gefühle, Abschied und Neubeginn... Ich bin so glücklich und froh für dich, dass du all das erleben konntest, alles so sehr in dein Herz geschlossen hast! Und auch dass du das Jahr gesund und unbeschadet erleben konntest und als "neue" 19jährige zurück kommst! Ich freue mich so sehr auf dich! In Liebe deine Mama ♥

  • #2

    Dieter (Dienstag, 14 August 2018 16:45)

    Liebe Maja,

    du hast ein großartiges Jahr erleben dürfen. Danke dass du uns SOOO toll an deinen Erlebnissen und Entdeckungen hast teilnehmen lassen. Auch wenn du meinst, wir hätten noch viiiiel mehr von dir erfahren können - ich fühle mich mehr als ausreichend informiert über eine Gegend, die ich noch nie gesehen habe und vermutlich nie im Leben erreichen werde.

    Es gibt wundervolle (Reise-) Ziele und Gegenden auf unserem Planeten, danke dass du uns so tolle Einblicke gegeben hast. Deine Texte, insbesondere aber auch die Fotos haben schon Sehnsuchts-Potential. Natürlich nicht alle, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ich den ecuadorianischen Dschungel-Speiseplan überstehen würde. Eine Umstellung mit 60+ auf Gewürmnahrung stelle ich mir extrem (oder lieber nicht) vor. Aber würdest du dich freuen, wenn ich im Garten ein paar Regenwürmer, Käfer und Schnecken für dich einsammle ;-) ?

    Dass du sogar nach Kolumbien gereist bist hat mich erstaunt - denn dieses Land stand bisher auf meiner Vermeide-Liste. Obwohl ich erfahren habe, dass die Tochter einer Bekannten kürzlich für ein oder zwei Studiensemester dorthin gefahren ist..... sie war vor ein paar Jahren kurz nach dem Abi schonmal eine zeitlang dort.

    Und wer weiß, wann du wieder nach Ecuador zurückkehren wirst, wenn du mal ne zeitlang wieder in Europa verbracht hast.

    Viele Grüße,
    gute Heimreise,
    und ein erfolgreiches Wieder-Einleben zuhause.
    Dieter

    PS
    Du könntest doch für Cesar im Dschungel noch schnell einen Internet-Zugang einrichten? Wenn er zB auf AirBNB Übernachtungen für "extranjeros internacionales" anbieten kann, werden sicher viele Weltenbummler auf ihn aufmerksam und vorbeischauen. ;-)

  • #3

    Erika und Walter (Dienstag, 14 August 2018 18:21)

    Wie immer sehr gut zu lesen, danke und gute Reise zurück nach "Hause", Erika und Walter.

  • #4

    Moritz (Dienstag, 21 August 2018 10:05)

    Viele Grüße und gute Heimreise !!

  • #5

    Anne (Sonntag, 26 August 2018 08:48)

    Liebe Maja
    Du sitzt im Flieger und kommst heute zurück. Ich freue mich riesig daruf, dich zu umarmen und irgendwann, wenn du wieder richtig angekommen bist, ganz viel von deinem Jahr in Ecuador zu hören. Bis bald, Liebes,
    Anne

  • #6

    Axel (Montag, 03 September 2018 23:24)

    Maja, du tapferste 19 jährige auf der ganzen Welt, die ich kenne: riesiggroßen Dank an dich für deine großartigen und wunderschönen und spannenden Berichte aus einer so fernen Welt. Du warst wie ein Fernrohr, das Einblicke in unbekannte und ungeahnte Horizonte ermöglichte. Komme wieder gut zu Hause an, in unserer verrückten "westlichen" Welt.
    Allerbeste Grüße und verspätete Glückwünsche zum Geburtstag,
    axel

Rückflug am 25.08.18

Hier lebe ich die meiste Zeit
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